Der optimale Zuschnitt eines Maker-Rollenspiels. Wie zeitgemäß sind unsere Spiele?

  • Sie sind ohne Zweifel meistens Retrospiele, aber das bedeutet ja nicht, das alles am Spiel retro sein muss. Wir müssen nicht unbedingt die "Fehler" - darüber lässt sich streiten - der Vergangenheit wiederholen. Gerade wenn das Spiel verkauft werden soll, stellt sich die Frage, was heutzutage angesagt ist.


    Mir kommen sofort offene Welten in den Sinn. Natürlich mag nicht jeder sie und es gibt gute Gründe, sie nicht zu mögen, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass viele Spiele - nicht nur Rollenspiele - sie aktuell haben. Ich mag sie. Sie laden zum Erkunden ein und haben alleine durch die Atmosphäre, die von der Größe und Weite erzeugt wird, auch eine narrative Wirkung. Sie eignen sich nicht so gut, wenn die Handlung eine größere Rolle spielen soll, weil sich die Spieler leicht (und oft gewollt) in Nebenaufgaben verlieren. Für Hobby-Entwickler wäre eine große offene Welt in den meisten Fällen wohl zu komplex, aber es wäre nicht schlecht, wenn man zumindest etwas erkunden könnte.


    Ein Zuschnitt, der mir besonders gut gefallen hat, ist der von real Trolls Endzeit - mehrere größere Spielabschnitte, die nacheinander bewältigt werden müssen, in sich aber offen sind. Eine so aufgeteilte Welt lässt sich leichter umsetzen als eine komplett offene Welt und gleichzeitig kommt der Erkunder auf seine Kosten.


    Ein weiteres Spielelement, das ich für wichtig halte, ist die Interaktivität. Je mehr ich mit der Spielwelt (und seinen Bewohnern) interagieren kann, desto mehr hab ich das Gefühl, Teil der Spielwelt zu sein.


    Außerdem sollte das Spiel ein spaßiges Kampfsystem haben (am besten in Echtzeit, aber das lasse ich auf dem Maker mal außer Acht), das weder zu kompliziert ist noch zu wenig Tiefgang besitzt. Das Charaktermanagement sollte interessant sein und es sollte Ausrüstung und Schätze geben, die sich wirklich wie eine Belohnung anfüllen.


    Unter dem Strich kommt ein System heraus, das ich jetzt nicht ernsthaft optimal nennen möchte, das mir aber aus der Sicht eines Spielers besonders viel Spaß machen würde:

    - Eine semi-offene Spielwelt, ohne dass die Handlung zu kurz kommt.

    - Viele interaktive Möglichkeiten.

    - Ein Kampfsystem, das weder zu anstrengend ist noch zu wenig herausfordert.

    - Ein Charaktermanagement, das Raum zur Anpassung lässt (Talente, unterschiedliche Builds).

    - Ausrüstungsgegenstände, die sich deutlich voneinander unterscheiden, und sich (teilweise) selbst herstellen lassen (ein gut gemachtes Crafting-System ist immer gut).


    Wie denkt ihr darüber?

  • Ich mag ja eher die Schlichtheit der Makerspiele (also größtenteils). Man wird wenig Abgelenkt wie von aufpolierten 4k Games und dadurch geblendet.

    Zumal mir die Pixel ein wohliges Retrogefühl vermitteln, da als ich aufwuchs und angefangen habe zu spielen sowas eher Standart war und es mich da ein wenig zurück wirft ^^

    Viele dieser Spielen begeistern mich durch die, oft Engine geschuldete, einfachheit der System die eben nicht zu wenig aber auch nicht zuviel sind.

    Ich denke da an Talentbäume, ich möchte einfach spielen und einen Entscheidungsfreiraum haben, der aber BEGRENZT sein soll damit ich mich in zuviel Freiheit nicht verliere. Sozusagen aufs Wichtigste runterbrechen wo es Sinn macht.

    Teilweise ziehe ich eine pseudo offene Welt einer völlig offenen vor, weil ich mich persönlich dann in irgendwelchen Kleinigkeiten verliere als Spieler, anstatt es zu geniesen und am Ende habe ich ewig viele Möglichkeiten offen, wo ich mich nicht entscheiden kann was ich als erstes angehen möchte.


    Also meine Vorlieben wären ja dann:

    - Es muss schön aussehen muss aber kein Grafikbomber sein, auchPixel haben ihren Charm (es muss halt passen)

    - es darf nicht zuviel Freiheit geben, aber man sollte trotzdem viele Möglichkeiten haben

    - KS das nicht zu langsam ist, jedoch auch gut für Casuals ist (also ohne Kombis auswendig lernen die man immer wieder gleichermaßen ausspielt)

    - Ein paar Rätsel fürs Hirn, aber keine wofür man einen Doktortitel bräuchte ^^

    - gut geschriebene Charaktere die sich anfühlen als gehören sie dahin anstatt nur eine Quote erfüllen zu wollen

  • Ich würde nicht sagen, dass das "typische Makerspiel" unzeitgemäß ist. Natürlich ist es das aus Blickrichtung des Mainstreams, aber das ist im Grunde seit 25 Jahren mit dem Aufkommen von 3D-Rollenspielen so. Seitdem sind Makerspiele Nischenprodukte und wie man bei der Betrachtung des Indymarktes weiß, gibt es einfach innerhalb mancher Nischen ein Publikum, das sich seit Jahrzehnten mit der gleichen Formel zum tausendsten Mal gerne füttern lässt (Hallo 2D-Platformer!). Auch Retro-Rollenspiele, wie sie mit dem Maker möglich sind, finden im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer wieder ein Publikum, sofern sie gut gemacht sind.


    Ich finde den von dir im Startpost vorgestellten Spielzuschnitt gut. Allerdings glaube ich, dass es eigentlich nichts damit zu tun hat, was gerade angesagt ist oder nicht. Sondern es sind einfach zeitlose Game Design-Aspekte, die gut umgesetzt ein spaßiges Spiel bringen, egal ob 2003 oder 2023. Die Interaktivität mit der Spielwelt beispielsweise wurde schon 1992 bei Ultima 7 als hervorragender Aspekt herausgehoben.


    Grundsätzlich denke ich, dass Makerspiele am besten damit fahren, sich auf die Eigenheiten ihrer Retronische kombiniert mit ein paar zeitlosen Game Design-Prinzipien zu verlassen. Aspekte aus dem Mainstream-Markt zu übernehmen, die gerade angesagt sind, wird meiner Meinung nach häufig schief gehen - diese Angebote gibt es ja mit viel höherem Production Value bereits.

  • Du hast recht, die Konzepte sind eigentlich schon uralt. Die offene Welt kenne ich auch schon mindestens seit Ultima IV. Also liegt es weniger an der Modernität als an der Zeitlosigkeit. Das würde ja auch dafür sprechen, sie zu benutzen.


    Ich hab den Eindruck, dass Makerspiele immer weniger gespielt werden und ich hab schon öfters gelesen, dass die Spiele auf Plattformen wie Steam auch keinen guten Ruf haben sollen. Das Problem ist nicht, dass es keine Spieler mehr gibt, die 2D-Rollenspiele mögen, also muss es eine andere Ursache geben und der Zuschnitt ist das erste, was mir in den Sinn kommt. Es könnte doch sein, dass Spiele, die hauptsächlich daraus bestehen, sich mit einem rundenbasierten Kampfsystem durch Gegnerhorden zu kämpfen - also eigentlich der klassische asiatische Grinder ohne nennenswerte Abwechslung - aus der Mode gekommen sind.


    Ich kann jedenfalls nur sagen, dass die Maker-Rollenspiele, die mir am besten gefallen, alle anders sind - Unterwegs in Düsterburg, die Spiele von real Troll, die Sternenkind-Saga.

  • Ob Makerspiele weniger gespielt werden, weiß ich nicht. Ich stimme aber definitiv zu, dass sie eher einen schlechten Ruf genießen und die Engine als ernsthafte Entwicklungsmöglichkeit wenig angesehen ist. Das ist auch mein Eindruck.

    Ich bin mir aber nicht sicher, ob das vom Spielzuschnitt stammt oder bspw. eher von der Übersättigung mit den Standardressourcen der neueren Maker in Kombination mit durchschnittlicher Qualität dieser Spiele. Viele Spiele, die für Betrachter direkt als Makertitel ersichtlich sind, stellen möglicherweise Schnellschüsse dar, die nicht den Anspruch der Spieler erfüllen - gerade im kommerziellen Bereich.


    Es gibt aber innerhalb "unserer" Nische Spiele wie bspw. Chained Echoes, die theoretisch auch so mit einem Maker machbar wären und die einen richtigen kleinen Hype innerhalb der Indy-RPGs geschafft haben. Ich habe Chained Echoes selbst nicht gespielt, aus Testberichten und Artikeln vom Spiel abgeleitet würde ich aber sagen, dass das Spiel vom Zuschnitt eigentlich nah dran an dem ist, was mit dem Maker üblicherweise gemacht wird. Bloß eben gut umgesetzt. Am Spiel wird in Userwertungen oftmals gelobt, dass es eben so klassisch ist. Hier scheint es weniger ein Problem zu sein, wenn keine neuen Wege beschritten werden. So lange die Qualität hoch ist.


    Die von dir genannten Titel UiD, Sternenkind-Saga und die Trollspiele (in meinem Fall vor allem die Allreise) sind auch meine Maker-Lieblingsspiele. Bei diesen Spielen sehe ich als Stärken das gekonnte, oftmals humorvolle Writing in Kombination mit einem guten Pacing. Ob die Welt dann linearer oder nicht ist, hat für mich gar keine so große Rolle gespielt, glaube ich.

  • Das Schwierige hierbei ist in meinen Augen, "zeitgemäß" zu definieren. Ist ein zeitgemäßes Spiel ein solches, welches derzeit (möglicherweise temporär) beliebte Features wie eine Open World umsetzt? Ich persönlich empfinde Open Worlds gar nicht als so zeitgemäß, sondern im Gegenteil, als allenfalls sehr zeitfressend. Zeit haben zumindest erwachsene Spieler i.d.R. aufgrund beruflicher und familiärer Verpflichtungen aber nur begrenzt zur Verfügung. Und mich stört es leider, wenn ich diese Zeit dann ausgiebig in das Auskundschaften von unendlich groß erscheinenden Welten investieren muss, um meinem Entdeckergeist gerecht werden zu können. Auch wenn es da draußen sehr viele schöne Beispiele für gelungene Open Worlds geben mag. Mir geht es da vor allem in letzter Zeit genau wie Cosmo:

    Teilweise ziehe ich eine pseudo offene Welt einer völlig offenen vor, weil ich mich persönlich dann in irgendwelchen Kleinigkeiten verliere als Spieler, anstatt es zu geniesen und am Ende habe ich ewig viele Möglichkeiten offen, wo ich mich nicht entscheiden kann was ich als erstes angehen möchte.

    Ich glaube, dass das Zeitgemäße an einem Spiel durch das Spiel selbst gerechtfertigt werden muss. Ich bin mir sicher, dass ein klassisches RPG Spielprinzip, das man bereits vor 25 Jahren kannte, bei guter und hier und dort weitergedachter Umsetzung heute immer noch zeitgemäß und gar ein Knüller sein kann. Es gibt ja nicht umsonst so viele Retro-Liebhaber. Das muss nicht immer nur etwas mit dem Look eines Spiels zu tun haben, sondern könnte durchaus auch an der Überschaubarkeit eines Projekts liegen. Ich persönlich genieße es derzeit sehr, ein Spiel einfach mal "absolviert" zu haben, seine Geschichte durchgespielt zu haben, und sagen zu können "Dieses Spiel habe ich vollumfänglich kennenlernen dürfen", ohne dass die Hälfte der Spielwelt an mir vorüberging. Natürlich gibt es Dinge, die man heutzutage in jedem Fall anpassen sollte, z.B. geringere Frustrationstoleranzen im Vergleich zu Spielern von 1990, etc.

    Daher kann ich die Aussage von TBG auch nur unterstreichen:

    Am Spiel wird in Userwertungen oftmals gelobt, dass es eben so klassisch ist. Hier scheint es weniger ein Problem zu sein, wenn keine neuen Wege beschritten werden. So lange die Qualität hoch ist.

  • Ich kann es für mich recht kurz beantworten: Ohne jetzt spezifische Beispiele zu haben, wirken viele Maker-Projekte konzeptlos. Leute übernehmen halb bewusst, halb unbewusst, was ihnen an 10 anderen Spielen gefallen hat, ohne dass es ...


    a) für einzelne Amateurentwickler in einer effektiven Form realisierbar ist

    b) so richtig zusammenpasst oder

    c) einen eigenen Reiz hat, der über Nostalgie für andere Spiele oder gut gemachte Einzelaspekte (Grafik! Technik!) hinausgeht


    Ich habe dementsprechend überhaupt nichts gegen "klassische Makerspiele" (und halte auch nichts von "zeitgemäß"!), aber man sollte sich direkt am Anfang bewusst machen, was genau man vorhat, ob man es realisieren kann und welche Versatzstücke sich WIRKLICH eignen, um diese Ziele zu erreichen.

    capsule_small_germanl6fk0.png

    Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten, und was sie dazu führen mag.

    ... für 2€ auf Steam, werft einen Blick drauf! =D

  • TBG

    Bei Chained Echoes liegt der Verdacht nahe, dass auch die grafische Präsentation zum Erfolg beigetragen haben könnte.


    Rinober

    Die offene Welt ist nicht nur zeitgemäß, sie ist sogar zeitlos, ich hatte vergessen, dass schon viele der ältesten Rollenspiele offene Welten hatten.


    Es lässt sich darüber streiten, was ein klassisches RPG überhaupt ist. Sind es die alten Rollenspiele aus C64-Zeiten? Ist es Rogue? Ist es Baldur's Gate? Sind es die alten JRPGs? Die Antwort ist wohl, dass es DAS klassische RPG gar nicht gibt. Und das könnte bedeuten, dass das, was die Retrofans begeistert, gar nicht der Zuschnitt des Spiels ist, sondern nur bestimmte Spielinhalte. Wobei sich auch wieder die Frage stellt, was einen Retro(Rollenspiel)fan überhaupt ausmacht. ^^


    Ich selbst spiele Makerspiele gerne, mag aber andere Rollenspiele lieber und zu meinem Glück decken sich meine bevorzugten Spielkonzepte mit denen anderer Spieler, zumindest hab ich das Gefühl, dass sie sich langsam durchsetzen. Meine Sicht der Dinge kann natürlich auch nur durch meine Voreingenommenheit vernebelt werden. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich mit diesem Thema nicht subtil sagen will: "Das, was ich mag (und in meinen Spielen umsetze), ist zeitgemäß und alles andere nicht." Ich möchte die Frage, wie zeitgemäß bestimmte Spielkonzepte sind, gar nicht so sehr in den Vordergrund stellen, sondern lieber darüber diskutieren, welcher Spielzuschnitt euch besonders Spaß macht.


    Für mich gibt es auf jeden Fall einige Spielelemente, die mir nicht (mehr) gefallen. Ein Spiel mit Zufallsgegnern spiele ich nicht mehr, unabhängig ob es von Indie-Entwicklern oder von einem großen Studio stammt. Spiele mit rundenbasierten Kampfsystemen akzeptiere ich im Indie-Bereich, aber kaufen würde ich Rollenspiele nur dann, wenn sie entweder ein Action-Kampfsystem haben oder ein Strategiekampfsystem. Gerade bei japanischen Rollenspielen wäre ich glaube ich nur genervt, wenn ich mich durch Heerscharen ohne Action-Kampfsytem kämpfen müsste. Die JRPGs, die ich zuletzt gespielt hab - Tales of Arise und Star Ocean 6 - hatten mMn spielerisch außer den Kämpfen wenig zu bieten. Ohne das "japanische Storytelling" (ich mag halt Animes und Mangas) hätte ich die Spiele wohl gar nicht gespielt.


    La Cipolla

    Gibt es denn bestimmte Merkmale, an denen du die Konzeptlosigkeit festmachst? Ich bin der Ansicht, dass es wenig gibt, das gar nicht geht. Damals im Atelier hat MagicMagor immer propagiert, westliche und östliche Ideen miteinander zu verweben, um die Vorteile beider Konzepte zu nutzen. Die Idee finde ich immer noch gut.

  • Zitat

    Gibt es denn bestimmte Merkmale, an denen du die Konzeptlosigkeit festmachst? Ich bin der Ansicht, dass es wenig gibt, das gar nicht geht.

    Für mich hat das Ganze zwei Ebenen, eine relativ simple und eine sehr schwierige:


    1. [eher simpel] "Konzept" könnte für mich etwa heißen, dass es möglich ist, das Spiel UND seinen Reiz in einem Elevator Pitch (ca. 2 Sätze) zusammenzufassen. Und dann sollte sich mehr oder weniger alles wirklich Wichtige auf dieses Konzept beziehen: Die Story, wie die Charaktere und Dialoge funktionieren, das Gameplay, die Technik etc. Wenn bspw. ein Gameplay-System im Spiel ist, das nicht zur Grundidee passt, ist das für mich ein Konzeptbruch und sollte geändert werden.

    2. [schwierig] Das Spiel sollte sich auch nach einem großen Ganzen anfühlen, und das kann selbst dann noch schiefgehen, wenn Punkt 1 faktisch erfüllt ist, weil Konsistenz immer auch einen subjektiven Anteil hat. Und vor allem: Für diesen Punkt hier braucht man vermutlich ein gewisses Gespür für Medien (das durch viel Erfahrung und Reflexion kommt, vermute ich ...?), ganz nüchtern wird sich das nicht durchdefinieren lassen, weil zu viele Kleinigkeiten mit reinspielen. Das scheitert in unserem Amateur-Spektrum ja bspw. schon verdammt oft an optischem Design oder Writing.


    Also ja, natürlich ist alles möglich, aber dann muss halt auch alles zusammenpassen. Und da sind schon ganz andere Kaliber an Videospielentwicklern als wir dran gescheitert. ;)





    Interessante Maker-Beispiele sind hier etwa To the Moon und Chained Echoes. (ganz leichte Spoiler, aber allgemein gehalten!)


    To the Moon ist sehr fokussiert auf die Geschichte eines Paares, ihre Lebensentscheidungen, Erinnerungen, Emotionen etc. Dementsprechend wäre es bspw. ultimativ unangebracht, ein Kampfsystem einzubauen, und selbst das Gameplay, das es gibt, wäre wahrscheinlich nur zur Hälfte nötig gewesen: Das Sammeln von Hinweisen passt zum "Durchleben" einer Erinnerung, aber die kleinen Rätsel sind komplett davon gelöst. Ich behaupte, das Spiel hätte ohne diese Rätsel dieselbe (!) Wirkung gehabt, und für manche Spielende wahrscheinlich sogar eine bessere. Der Humor dagegen mag erst wie ein Konzeptbruch wirken, aber faktisch sind Absurdität und lockere Moment natürlich Teil eines Lebens; ein komplett ernstes To the Moon wäre ein ganz anderes Spiel.


    Chained Echoes mag auf den ersten Blick konzeptlos scheinen, aber tatsächlich geht es hier (im Gegensatz zu typischen "Abenteuergeschichten") um politisches, gesellschaftlich-historisches Storytelling, das in seiner Komplexität von verschiedenen Sichtweisen und Situationen profitiert. Das rechtfertigt die vielen Charaktere, die Basis, die man aufbaut, den Umfang des Spiels; selbst die Twists um den Hauptcharakter verdeutlichen dieses Konzept. Allerdings kippelt Chained Echoes in meinen Augen auch ziemlich oft am Rand herum: Sind Spielsystem X und Setting-Element Y wirklich hier, weil sie zu irgendwas passen, oder weil der Entwickler sie aus einem anderen Spiel mochte ...? DASS das Spiel so erfolgreich geworden ist, liegt imho aber auch daran, dass der KERN, also die wirklich wichtigen Dinge zusammenpassen. Es ist eben nicht einfach nur ein weiteres "Es ist wie Final Fantasy und ich habe seit 15 Jahren dran gearbeitet!", sondern ein ziemlich rundes Ding. Da ist es dann auch okay, wenn ein paar "goldene Kühe" den Designprozess überleben.


    Ein wildes, komplexes Beispiel für Konzeptarbeit ist übrigens Vampire's Dawn, aber was ich da gespielt habe, ist zu lange her (und war auch nicht viel), weshalb ich dazu nix sagen will. ^^


    Edit: Hier ist ein Thread dazu! 8o

    capsule_small_germanl6fk0.png

    Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten, und was sie dazu führen mag.

    ... für 2€ auf Steam, werft einen Blick drauf! =D

    Einmal editiert, zuletzt von La Cipolla ()

  • Ich finde kein einziges Spiel - also von denen, die ich kenne - konzeptlos. Ideen können suboptimal umgesetzt werden, aber die wenigsten sind per se ein Fehlgriff. Den Spielern eine schöne Geschichte erzählen zu wollen, ohne tiefere Hintergedanken, es für mich ein gutes Konzept. Das Gleiche gilt für das Gameplay. Die Spieler sollen Spaß haben, ob es einen tieferen Zusammenhang zwischen Gameplay und Handlung gibt oder nicht spielt keine Rolle.


    Zumal man sich sowieso Zusammenhänge ausdenken kann wie man lustig ist. Ich erinnere nur wieder an Janet Murray mit Tetris und dem Klassenkampf. ^^

  • Ich behaupte mal: Wenn die Leute "Spaß haben" sollen oder du "eine schöne Geschichte erzählen" willst, hast du üblicherweise eine Idee davon, wie du das erreichen möchtest, sei es bewusst oder unbewusst. Du wirst bspw. in einem Ego-Shooter nicht eine extreeeeem langsame Bewegungssteuerung verwenden, denn daran haben die wenigsten Spaß. Und für eine schöne Geschichte wirst du kaum 500 Seiten lang einen Schraubenzieher beschreiben. Und schwupps: Das sind bereits Zusammenhänge – oder wenn von einer Gesamtheit kohärenter Zusammenhänge sprechen? Dann ist es halt ein Konzept!


    Natürlich kann man auch alles intuitiv machen ... aber dann ist man komplett anfällig für Dinge wie a) Klischees und uninspiriertes Kopieren, b) fragwürdige politische Aussagen, und natürlich allem voran c) Ego-Shit.  ?(

    Ich warne aber generell davor, sich vor irgendwie "intellektuell" wirkenden Betrachtungen zu verschließen! Oft ist das einfach nur unsere Intuition, die in eine greifbare Form gegossen wird, damit man sie reflektieren kann. Und ohne Reflexion baden wir alle im eigenen Saft.


    Um noch mal zu deinen Zielen zu kommen: Wenn du willst, dass Spieler Spaß haben, solltest du darüber nachdenken, was Spaß macht. Wenn du eine schöne Geschichte erzählen willst, solltest du verstehen, was eine schöne Geschichte ausmacht. Und ein stabiles Konzept ist eine megasimple und effektive Variante, all dem einen Schritt näherzukommen.


    Zitat

    Zumal man sich sowieso Zusammenhänge ausdenken kann wie man lustig ist. Ich erinnere nur wieder an Janet Murray mit Tetris und dem Klassenkampf. ^^

    Total! (Und ich liebe es.)

    Aber wir sind hier ja nicht Konsumenten, sondern kommen aus der kreativen Perspektive. Und da wir als Menschen sowieso IMMER Muster und Verbindungen suchen, verspreche ich dir: Wenn du die Zusammenhänge nicht bewusst aufbaust, baust du sie eben unbewusst auf. Und es werden nicht immer die tollsten sein – oder die, die du haben wolltest.

    capsule_small_germanl6fk0.png

    Ein klassisches Rollenspiel, reduziert auf den Zauber des alten Genres: Wortgewaltige Sprache. Fordernde Kämpfe. Drei, die einen Drachen töten, und was sie dazu führen mag.

    ... für 2€ auf Steam, werft einen Blick drauf! =D

  • La Cipolla

    Eine Idee davon hab ich zwar schon, aber das, was mir Spaß macht, muss anderen nicht zwangsläufig auch Spaß machen, ganz abgesehen davon, dass es mir misslingen kann, es so umzusetzen wie ich möchte. Ich sehe einen großen Unterschied zwischen einer Idee und ihrer Umsetzung. Eine Idee ist meiner Meinung nach nur in den seltensten Fällen falsch und so klingt Konzeptlosigkeit für mich - etwas ist absolut falsch.


    Zitat

    Natürlich kann man auch alles intuitiv machen ... aber dann ist man komplett anfällig für Dinge wie a) Klischees und uninspiriertes Kopieren, b) fragwürdige politische Aussagen, und natürlich allem voran c) Ego-Shit.

    Aber ist das wirklich die Schuld einer intuitiven Entwicklung? Ich mag das Wort Klischee nicht, weil es impliziert, dass ein Mittel oder Bild objektiv gesehen falsch ist. Meiner Erfahrung nach wird von den Leuten etwas aber nur deswegen Klischee genannt, weil sie es nicht mögen oder weil sie es in letzter Zeit zu häufig gesehen haben. Im lustigsten Fall kritisieren sie in einem Werk etwas als Klischee oder abgenutzte Trope und im anderen feiern sie es. Bei der Inspiration stellt sich die Frage, ab wann etwas nur billig abgekupfert wurde und wann es "künstlerisch akzeptabel" ist. Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bewusst fragwürdige politische Aussagen in sein Werk einbaut für deutlich höher, als dass jemand es unbewusst macht. Kommt das so häufig vor? Und auch der Ego-Shit ist so eine Sache für sich. Narzissmus und Arroganz sind keine guten Eigenschaften, aber eine gewisse Eitelkeit sollte ein Künstler schon haben.


    Eine analytische Betrachtung der Spiele finde ich interessant, aber muss sie mit einer Wertung verbunden sein?


    Zitat

    Wenn du die Zusammenhänge nicht bewusst aufbaust, baust du sie eben unbewusst auf. Und es werden nicht immer die tollsten sein – oder die, die du haben wolltest.

    Das kann passieren, aber dazu gehören immer zwei. Der Empfänger kann in der Kommunikation natürlich auch missverstehen, ohne dass man es dem Sender anlasten kann. Vor allem wenn sich der Empfänger die Ohren zuhält. Für mich stellt sich nach wie vor die Frage, ob ein Spiel konzeptlos sein kann.

  • Spannendes Thema. :)


    Hier meine Favourites:


    a) Eine halb-offene Welt mit abwechslungsreichen (!) Aufgaben

    b) eine spannende, wendungsreiche Geschichte mit liebenswürdigen Charakteren

    c) ein Kampfsystem, das zunächst leicht anfängt, aber immer fordernder wird

    d) ordentliche Rätsel

    d) Atmosphärisch so dicht, dass es mich in eine andere Welt enführt

    e) ganz wichtig: Hassenswerte Gegenspieler, die aber dennoch nachvollziehe Motive haben

    f) Nicht zu lang, nicht zu kurz (max. 20-30 Stunden Spielzeit)

  • Beim Urteil über Spiele ist es wie bei vielen Arbeiten: Etwas schlecht reden oder etwas schlecht machen sind zwei völlig verschiedene Grundeinstellungen.

    Selbstverständlich kann es ein Konzept geben, dass in zahlreichen Interpretationen schon in vielen Spielen aufkam. Aber für mich kommt es dann beim Muster am Ende darauf an, dass die Interpretation, ggf hier auch das Konzept, eben auch individuellen Gedankenmustern folgt, die es augenscheinlich nach einem "Standard Maker Spiel" aussehen lassen mögen, aber nach näherer Betrachtung liebenswerte Eigenheiten mitbringt.


    Wenn jemand sich leidenschaftlich an ein Werk macht, dann kann es nicht schlecht gemacht sein. Es kann anderen Ansprüchen nicht genügen und mitunter stecken Kritiker und manchmal auch Neider es gerne in eine Schublade um es abzuwatschen. Aber es wird dann erstmal nur schlecht geredet. Wenn Leidenschaft in dem Werk steckt, und ich will behaupten, dass wenn jemand Monate seiner Lebenszeit in derartiges investiert, kann man von Leidenschaft sprechen, dann mag es in der Umsetzung Mängel haben, die viele als Konsum störend empfinden. Mitunter auch der Schöpfer, wenn der eigene Ehrgeiz höher als seine Fähigkeiten liegt. Aber es bleibt am Ende ein eigenes Werk.

    Diese Aussage gilt nicht für beabsichtigte Kopien, wo rein auf einen Trend oder "Copy Paste" von Charakteren und Handlungen gesetzt wurde. Mir geht es wirklich um das Werk von jemanden, der etwas erschaffen hat, der in irgendeiner Weise kreative Einflüsse in neue Formen gießen konnte.

    Wenn du deine Fantasie lebst, dann wird sie auch zur Wirklichkeit.

  • [...]

    Mir kommen sofort offene Welten in den Sinn. [...]

    Das sehe ich anders. Ja, in letzter Zeit kommen immer mehr Spiele auf den Markt, die sich eine "Open World" zuschreiben und dieses darüber begründen, dass man keine Abgeschlossenen Schlauchlevel, oder Räume hat und dadurch ja rein Theoretisch ohne Ladezeiten von A nach B gehen kann... Aber unterm Strich ist die Welt immer noch in einer Warteschleife, die auf das Zutun des Spielers wartet.


    ... Aber das bete ich ja nun auch nicht zum ersten mal runter.


    Aber wenn es gerade darum geht wie ein Spiel sein sollte, so stellt sich mir die Frage mehr: Was für eine Art Spiel und für wie viele Spieler.

    Der Grund dafür ist denkbar simpel:

    • Die Art des Spieles definiert den Umfang.
    • Die Anzahl Spieler verlangt einen gewissen Rahmen an Interaktion IM Spiel VOM Spiel.

    Singleplayer Spiele, wie etwa in der "Final Fantasy"-Reihe, in der "Tales of"-Reihe, ... verzeiht man viel eher, dass die Welt sich nur wenig verändert und man als Spieler eben den Weltfortschritt selbst vorantreiben muss. Das zeigen auch viele (um nicht zu sagen: fast alle) RPG Maker Games, die eben genau in diese Kerbe schlagen.

    Sobald man aber mit mehreren Spielern spielt, funktioniert das nicht mehr. Das zeigte sich nun zum Beispiel sehr gut bei "Lost Ark", wo man kaum 5 Minuten hatte ehe die Monster resporned waren und man dadurch das Gefühl hatte keinen Fortschritt zu machen.

    Wenn ich mir dagegen Spiele ansehe wie "Caliber", oder "The Cycle: Frontier", die Explizit auf PvE, PvP und das erfüllen bestimmter Missionen aus sind, sind nett, bieten einen gewissen Kurzweil, aber sie bieten keine Story.

    Außerdem sollte das Spiel ein spaßiges Kampfsystem haben ...

    Ist auf alle fälle ein Punkt, den man nicht widerlegen kann. Doch hier ist es eben die frage, was ein spaßiges Kampfsystem ist.

    Das Kampfsystem von den RPG Maker Spielen "Velsabor", "Epic Fail Saga" und auch "Charon - Zhetan Chronicles" sind zwar interessante Kampfsysteme, dieses aber mehr vom technischen Aspekt.

    Schaue ich mir das weiter gefächert an, dann wird es wiederum schwieriger. Souls like Spiele, wie "Eldenring", "Dark Souls", "The Surge" bieten ein recht breites Waffenspektrum, die dann ihrerseits ein ganz eigenes Momentum erfordern.

    In Spielen wie "Secret of Mana", oder "Terranigma" Bieten da zwar einiges an Action, auch im 2D Sektor, anders wie etwa "Ninja Gaiden", oder "Castlevania: Lords of Shadow", die mehr auf Action im 3D Bereich aus sind...


    ... Aber gut ich glaube hier komme ich zu sehr vom eigentlichem Thema ab und mixe zu viele Game-Genres zusammen.


    Ich liebe ja gerade die Kampfsysteme von den Spielen: "Breath of Fire 3" und "Grandia 2".

    Möge die Kreativität mit euch sein!

  • Du hast das Wichtigste vergessen, eine gute Story! Dann verzeiht man auch andere Schwächen. ;)

    Eine offene Spielewelt ist natürlich immer eine schöne Sache. Aber gerade, wenn man alleine an einem Projekt sitzt, ist es das erste, bei dem man einen Rotstift ansetzt. Mir fallen auf Anhieb eine Menge sehr gute Spiele ein, auch ohne offene Spielewelt. Diese haben dann die Freiheit woanders. Zahlreiche, abwechslungsreiche Aufgaben, viel Anpassung beim Charaktermanagement und verschiedene Lösungen für ein Problem (greife ich den Wächter vor der Tür an oder lenke ich ihn „nur“ mit irgendwelchen Fähigkeiten ab?). Auch ist es immer schön, wenn eine Handlung Konsequenzen hat. Ich kann es nicht allen recht machen. Helfe oder verbünde ich mich mit dem Einen, ist der Andere angepisst.

  • Es lässt sich darüber streiten, was ein klassisches RPG überhaupt ist.


    [...]


    Ich möchte die Frage, wie zeitgemäß bestimmte Spielkonzepte sind, gar nicht so sehr in den Vordergrund stellen, sondern lieber darüber diskutieren, welcher Spielzuschnitt euch besonders Spaß macht.

    Das stimmt auch wieder. Das, was man selbst als klassisch empfindet, muss für andere nicht klassisch sein. Spätestens, seit es unterschiedliche Spielergenerationen gibt, wird jeder das anders definieren und ein anderes Spiel als "das" klassische Spiel eines bestimmten Konzepts oder Genres nennen.

    Dann will ich auch gar nicht weiter auf das Kriterium "zeitgemäß" eingehen :) Mein bevorzugter Zuschnitt wäre wohl meinem letzten großen RPG Favoriten, Persona 5, sehr nahe:

    +++ Eine spannende oder emotionale Story, die zum Weiterspielen bewegt. Sollte idealerweise ohne Klischees auskommen ("Held rettet Prinzessin" usw.)

    + Liebens- und hassenswerte Charaktere. Die tragen irgendwo schließlich die Story.

    + Atmosphäre/Stimmung/Ton der Spielwelt saugen mich ein und lassen mich vergessen, wie lange ich schon am spielen bin

    + Mix aus Linearität und Freiheit, ohne in eines der beiden zu sehr abzudriften

    + Motivierende Belohnungssysteme. Im Fall von Persona z.B.: neben dem typischen Aufleveln das Sammeln und Mischen von Personas, das Aufwerten von Freundschaften.

  • Alessa

    Du hast das Wichtigste vergessen, eine gute Story! Dann verzeiht man auch andere Schwächen.

    Für mich ist die Handlung eines Spiels nice to have, aber nicht das Entscheidende. Spiele sind meiner Meinung nach zum Spielen da und die Gewichtung des Gameplays in sehr vielen Spielen wird dem ja auch gerecht (die Zeit, die man mit dem Gameplay verbringt, liegt geschätzt bei ca. 90% der Spielzeit). Wenn mir nach einer guten Geschichte zumute ist, dann greife ich zu einem passiven Medium.

  • Für mich ist die Handlung eines Spiels nice to have, aber nicht das Entscheidende. ...

    Aber hätte man dann nicht eher etwas wie Schach, Reversi, Dame, Mensch ärgere dich nicht, Malefiz, ...? Also ein Spiel, welches nur des Spielens wegen gespielt werden würde?


    Gut im Falle von Beat'em Ups, Hack'n Slays, Jump'n Runs, MOBAs... kann man sich noch irgendwo streiten, ob eine ausgefuchste Story nun so Relevant sind. Aber gerade (echte) Rollenspiele und Spiele, die auf Atmosphäre setzen, Leben und Sterben durch eine Gute Story.


    Ich meine, was würden Spiele wie "Fallout", "The Darkness", "Bioshock", "Metro 2033", "Grandia", "Breath of Fire", "Secret of Mana", "Call of Cthulhu", "Vampyr", ...

    Gerade, dass man eine nachvollziehbare Motivation erhält, um seine Handlungen fortzuführen bringt die nötige Würze ins Spiel.

    Möge die Kreativität mit euch sein!

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!