Hier mein Review!
Forgotten Symphony
Was haben wir denn hier? Ein kurzes, faszinierendes RPG-Maker-Spiel, das kostenlos auf Steam steht!
Ich habe am Betatest teilgenommen.
Schülerin Ellie muss sich in einer nahen Zukunft nicht nur mit typischen Teenager-Problemen wie Mobbing, zwischenmenschlichem Drama und ihrer geistigen Gesundheit herumschlagen, das Cyberpunk-Genre bringt auch noch Megakonzerne und eine sterbende Welt mit sich. Wirklich spannend wird ihr Alltag aber erst, als sich eine fremde Stimme auf dem Chip in ihrem Kopf einnistet, um ihren Körper zu übernehmen. Und so entwickelt sich die Handlung langsam zu einer handfesten Mystery Box, die am Ende befriedigend – und überaus emotional – aufgelöst wird.
Wir steuern die mysteriöse Stimme (und damit auch Ellie!), erkunden über etwa 4 Spielstunden hinweg ein paar kleine Umgebungen, führen Gespräche und haben Teil an der komplexen Innenwelt der jungen Frau. Manchmal gilt es, Entscheidungen zu treffen, die für den größten Teil des Spiels auf "mit Ellie!" oder "gegen Ellie!" hinauslaufen. Hin und wieder gibt es zudem ein knackiges Minispiel zu lösen, das aber freundlicherweise auch übersprungen werden kann.
Ein angenehmer Gesamteindruck
Das World Building passt zum Genre und trägt hier und da ein paar nette Ideen in sich. Man muss allerdings mit Exposition Dumps klarkommen, und mit einer idealistischen, mitteilungsbedürftigen Teenagerin, die das Spiel im ersten Drittel recht "preachy" wirken lässt. Zu 100% ernst nehmen darf man das Ganze auch nicht, denn neben ein paar stumpferen Setting-Aspekten ist es gerade Ellies innere Stimme, die sich in ihrer jugendlichen Ironievergiftung keinesfalls zu fein ist, so ziemlich alles ins Belustigte zu ziehen – und dabei auch schon mal an der vierten Wand zu klopfen.
Was dieses Spiel und seine ausgiebigen Texte zu einem großen Spaß macht, ist auch generell dieses lockere Writing: Getrieben von einer größtenteils natürlichen Umgangssprache, bedient es sich an vielseitigem Humor, von dramatischer Ironie über Wortspiele bis hin zu Deadpan-Kommentaren, die einen unwillkürlich zum Grinsen bringen. Und auch, wenn es ernster wird, lässt Forgotten Symphony nicht nach: Gerade die zwischenmenschlichen Momente sind imstande, über Ironie und Co. hinauszugehen, um etwas wirklich Ehrliches, Menschliches zu ergreifen und nicht zuletzt durch die verschiedenen Kommunikationsebenen eine echte Komplexität ins Spiel zu bringen. RPG-Maker-Spiele können in ihrem Minimalismus überraschend gut mit Emotionen umgehen, und Forgotten Symphony ist hier eins der besseren Beispiele.
Auch die weiche Grafik mit ihrem rundlichen Charakterdesign, ihren angenehmen Lichtern und ihren sympathischen Standbildern unterstricht diese Mentalität, ebenso wie die eher subtile Musik. Höhepunkte sind dabei natürlich die Lieder, die sich stets auch in die Handlung einfügen; der Titel des Spiels kommt ja nicht von ungefähr.
Spannende Unsicherheiten
Es gibt zwei zentrale Punkte, die für mich nicht komplett aufgegangen sind, und sie lassen sich unmöglich ohne Spoiler besprechen. Aber es sei schon mal so viel gesagt: Jedes dieses "Probleme" ist ein INTERESSANTES, über das man nachdenken und diskutieren kann! Und obwohl sie sicherlich das Potenzial haben, den abschließenden Eindruck zu beeinflussen, würde ich keinesfalls sagen, dass sie das Spiel kaputtmachen.
1. Die Rolle des Spielers in Forgotten Symphony ist narrativ und vor allem konzeptuell unscharf. Natürlich SOLL man am Anfang nicht wissen, wer man ist, sonst funktioniert der große Twist nicht, aber dadurch wird das Treffen von "richtigen Entscheidungen" (die ein wichtiger Teil des Spiels sind!) ernsthaft schwierig, auch weil sie in ihrer Formulierung oftmals comichaft schwarz-weiß ausfallen. Blöd gesagt: Es ist eins dieser Spiele, die durchaus bereit sind, ein schlechtes Gewissen zu machen, aber weil die Grundlagen so undeutlich sind, kann man vor dem Bildschirm einfach mit den Schultern zucken; Man wusste es ja (wirklich) nicht besser. Als Konsequenz haben wir im Betatest viel über die Rolle des Spielers philosophiert, Entwickler DasSchaf hat an Details gedreht und Sachen ausprobiert ... und es bleibt abzuwarten, wie das fertige Produkt auf unbedarfte Kunsimks wirkt! ;D
2. Das Ende von Forgotten Symphony ist selbst in der "besten" Variante heftig, und umso wichtiger ist, dass es nachvollziehbar und folgerichtig herüberkommt. Mein Kritikpunkt im Betatest war, dass Ellie in ihrer Zynik streckenweise ein wenig suizidal wirken kann, und mit diesem Ende ist das natürlich keine unwichtige Frage. (Um diese Frage expliziter zu machen: Stirbt Ellie hier den auswegslosen "Heldentod", den sie uns verkaufen will, oder macht sie sich bloß etwas vor, in einer Art romantisierter Verklärung?) Die falsche Antwort könnte Selbstmord "als Problemlösung" in ein sehr unangenehmes Licht rücken. Wir haben dementsprechend viel über Ellies Mindset in diesem Ending geredet, es gab zahlreiche Änderungen und Versuche und ich kann auf jeden Fall sagen, dass dieser Betatest megaproduktiv war! =] Ich bin tatsächlich auch total gespannt, wie das andere in der finalen Version wahrgenommen haben.
Abschließend lässt sich festhalten: Forgotten Symphony ist ein Spiel zum Eintauchen und Sich-überraschen-lassen, manchmal sogar zum Liebhaben, Hängenbleiben und Nachdenken; und das alles in einem überschaubaren, sympathischen Gesamtpaket. Wer narrative Spiele mit interessanten Konzepten mag, kann zuschlagen! (Und es ist kostenlos, also eher ... losspielen und sich vielleicht mit einem Steam-Review bedanken. ^^)