informationslücken im storytelling

  • heyho,

    aus gegebenem anlass möchte ich gerne einmal über informationslücken sprechen. natürlich ist mir klar das geschmäcker verschiedenen sind und es hier vermutlich kein eindeutiges ergebnis geben wird. aber dennoch fände ich es spannend mal andere meinung zu hören.


    im grunde geht es mir um das bewusste weglassen von offensichtlichen informationen die man sich eigentlich herleiten könnte.


    beispiel: zwei charaktere begegnen sich für den spieler das erste mal. einer davon beginnt mit sätzen wie "du schon wieder" damit erfährt der spieler ja im prinzip schon das die beiden sich bereits irgendwoher kennen müssen. für mich ist es hier fürs erste nicht weiter notwendig das die beiden aus ihrer rolle fallen und erst einmal ins detail gehen. mensch das ist ja x jahre her. wie konnten wir uns bei event y nur außeinander leben. das war schon wild oder?

    beispiel 2:

    charakter x verhält sich in gegenwart von weiblichen charakteren "anders". aber nur sehr subtil. des weiteren weißt er durch gekonnte ausreden sämtliche annährungsversuche seiner besten freundin ab und wird in gegenwart eines bestimmten männlichen charakters leicht aufgedreht. braucht es da noch hinweise?


    beispiel 3:

    ein charakter arbeitet das gesamte spiel über daraufhin das er sich jeder zeit aufopfern würde um die prinzessin des landes zu retten. am ende des spiels wird diese von einer prinzessin bedroht. der charakter schubst diese zur seite und das spiel endet mit den worten "dafür habe ich mein leben lang trainiert".


    ich persönlich mag es sehr wenn informationen oder charakterzüge immer nur angedeutet werden und der spieler auch mal dazu in der lage sein muss eins und eins zusammenzuzählen. muss sich der charakter im beispiel 2 wirklich als homosexuell outen? muss man in beispiel 3 wirklich sehen, wie der charakter stirbt und sich für die prinzessin opfert? ich persönlich empfand das nie so und finde gewisser interpretationsspielraum lässt auch platz für diskussionen die so von der autorin gar nicht gewollt waren.


    jetzt lese ich aber zumindest immer häufiger das man als spieler gerne seine absolute klarheit hätte. es lässt mir keine ruhe bis ich weiß das charakter x gestorben ist oder nicht. ich brauche die klarheit darüber wie eine situation endet. nicht nur so wie ich es vermute sondern ich will es sehen oder läsen. meine gedanken zählen nicht. das spiel hat es mir ja nicht gezeigt.


    bis zu einem gewissen punkt kann ich das auch irgendwo verstehen. aber ich persönliche denke mir in solchen momenten auch sehr oft "ja danke das konnte ich mir denken das musstest du jetzt nicht ausschmücken es war eh klar".


    wie seht ihr das?


    lg chito

  • Für Menschen mit viel Fantasie kann ein sehr detailiertes Erzählen sogar eine Abwertung bedeuten, da der kreative Geist die Geschichte für sich schöner ausgestaltet und das auch nach eigenen Vorlieben. Anders gesagt, der freie Raum füllt sich mit eigenen Vorlieben.

    Bei der Masse an (Mit-)spielern habe jedoch erlebt, dass viele entweder kein Interesse (das eine Extrem) oder sehr fasziniert und Kanonisch (das andere Extrem) mit der Erzählung umgehen möchten. Bei uninteressierten ist die Liebesmühe für Details ohne Belang. Für die Follower deines Worldbuilding kann es gar nicht genug Informationen geben.

    Wir kennen das doch auch von uns selbst. Z.b. wenn ich dabei an die Herr der Ringe Filme denke. Ich bin bis heute von diesen Filmen derart begeistert, dass ich mich über jede Szene Bonusmaterial mega freue. Gelegentlich schaut man sich dann den Deep Drive von Hardcore Fans an um in seiner Fanwelt den wahren Kanon heraus zu filtern. Naja und dann gibt es Filme, die sind ganz ok und man lässt sich berieseln.

    Ich nehme an, am Ende kommt es einfach darauf an, zu welchen Menschenschlag man gehört und wie sehr einen die Geschichte abholt und mitnimmt.

    Wenn du deine Fantasie lebst, dann wird sie auch zur Wirklichkeit.

  • Das ist leider seeeeehr subjektiv. Da gibt es auch keine richtige Antwort, finde ich.

    Ich hätte dafür auch ein Beispiel.

    Zelda BotW und TotK sind ja zusammenhängende Spiele in denen (wie man durch ein paar NPCs erfährt) ein paar Jahre liegen.
    Die Beziehung zwischen Link und Zelda ist ziemlich ungeklärt und offen. Ob sie nun z.B. ein Paar sind oder nicht wird angedeutet, aber nie genau benannt.
    Das ist OK.
    Was ich nicht OK finde ist, dass zwischen Teil1 und Teil2 die komplette Shiekah-Technologie verschwindet und erst im Interview mit Nintendo erklärt wird, dass diese sich "wegteleportiert" hat, weil ihre Aufgabe erfüllt war. Im Spiel erfährt man dazu aber gar nichts, was umso doofer ist, weil die Technologie ein Hauptaugenmerk des ersten Teils war.

    ABER:
    Auch hier gehen Meinungen stark auseinander.
    Ich finde es z.B. spannend zu spekulieren ob Zelda und Link ein Paar sind oder nicht. Wieder anderen ist das völlig egal.
    Ebenso wie es auch sehr vielen egal ist, warum die Shiekah Technologie weg ist.


    Grundsätzlich denke ich, dass man nicht alles erklären muss. Man muss aber durch die Story kommen ohne 1000 Fragezeichen über dem Kopf schweben zu haben.
    Außerdem sollten sich Charaktere durch ihre Handlungen auch erklären können.
    Wenn du z.B. einen Charakter hast, der sein ganzes Leben bereit ist sich für die Prinzessin zu opfern, dann braucht es nicht mehr als eine leere Textbox mit einem Lächeln-Face kurz bevor die Attacke trifft... oder wenn sie getroffen hat um seine Gesinnung klar zu machen.

    Ich lasse meine Helden z.B. auch nicht immer was wissen. Wenn etwas unklar ist was passiert ist, dann haben 1-2 vielleicht eine Idee was passiert sein KÖNNTE.
    Aber es ist nun mal wie im echten Leben... man kriegt nicht alles erklärt.

    Am Ende des Tages kann man es auch einfach ausprobieren... wenn die Tester dann allesamt rückmelden, dass X unklar ist, dann würden wir uns zusammensetzen und eine Lösung erarbeiten.

    Manchmal muss man irgendwie auch einfach seinem "Instinkt" folgen... es gibt, denke ich, kein Patentrezept.

    LG
    CupHogGames

  • Bei Dialogen und Exposition ist weniger oftmals mehr.


    Statt jedes Element eines Plots oder des Worldbuildings zu erklären, ist es oft viel interessanter, den Kontext für sich sprechen zu lassen und den Spieler die Zusammenhänger selber erschließen zu lassen. Das klassische "Show don't tell"-Prinzip. Ist nicht nur eleganter, sondern meistens auch effektiver in der Informationsvermittlung, da bei langen Dialogen oder Vorträgen sowieso leicht mal die Aufmerksamkeitsspanne leidet.


    Andererseits gibt es auch Leute, die ALLES erklärt haben möchten und unzufrieden sind, wenn es keine eindeutigen Antworten oder gar ein offenes Ende gibt. Finde es aber persönlich interessanter, wenn nicht alles eindeutig erklärt wird und es Raum zur Interpretation gibt.


    Selbst bei David Lynch-Filmen a'la Mulholland Drive gibt es Leute, die auf Teufel komm raus versuchen müssen, jeden Aspekt der Geschichte logisch zu erklären und irgendwie klar einzuordnen. Manche halten es einfach nicht aus, offene Fragen im Raum stehen zu lassen, und brauchen für alles eine Erklärung.

  • Gibt es nicht sogar einen Begriff dafür, wenn sich zwei Charaktere unterhalten und sich gegenseitig erklären, woher sie sich kennen, nur damit der Spieler das erfährt? Irgendwas habe ich da mal gelesen... So was finde ich unglaublich störend und unnötig. Außerdem lässt sich das wesentlich eleganter lösen, indem ein Begleiter bspw. nachfragt, woher man den Typen gerade kennt.


    Würde Beispiel 2 erklärt werden, käme das so rüber, als würde das Spiel einen für zu dumm halten, das selbst zu erkennen. Gerade solche Erklärungen von Offensichtlichem kommen leider viel zu häufig vor. Wer spielt schon gerne ein Spiel, das einem diktiert, wie "intelligent" man zu sein hat? Wer sich ein Spiel/ein Buch/einen Film raussucht, hat in der Regel Interesse daran und möchte sich mit der Handlung auseinandersetzen. Da gehört es meiner Meinung nach dazu, selbst den Kopf zu bemühen. (Sonst suche ich mir bewusst etwas raus, wo die Handlung irrelevant ist)

    Geht es um Dinge, die vielleicht nur auf den zweiten oder dritten Blick ersichtlich sind, lässt sich sicherlich eine Andeutung in den Raum werfen.


    Was mir in dem Zusammenhang einfällt und worüber man eigentlich nur den Kopf schütteln kann: Die Charaktere erkennen das Offensichtliche nicht, dem Spieler/Leser ist aber klar, was vor sich geht. Da grübelt man dann, ob die Charaktere das tatsächlich nicht kapiert haben oder ob sie nur (warum auch immer) nicht darauf reagieren. Geht man allerdings von Option 2 aus, kommt gerne irgendwann der Punkt, wo der Charakter sagt: "Was? Damit hätte ich nie gerechnet. Das kommt aber überraschend." In Filmen gibt es so was zuhauf. Soll das bedeuten, der Ersteller wollte bewusst dumme Charaktere einführen (besonders lustig, wenn die als sehr intelligent beschrieben werden...) oder ist die Zielgruppe schlicht eine, die nicht selber mitdenken soll?

    Vor dem Hintergrund kann ich es sogar verstehen, wenn der Ersteller seinen Charakter vermitteln lässt, dass er das Offensichtliche verstanden hat. Nur muss der es nicht sagen, sondern kann auch nonverbal darauf reagieren.


    Mitdenken hat noch niemandem geschadet. Und wer unbedingt alles toterklären will, der sollte es so tun, dass es dennoch irgendwie in die Handlung passt. Also z.B. nicht Person A Person B erklären lassen, dass sie seit der Kindheit befreundet sind.

  • Chito

    Ich denke, dass es manchmal sinnvoll ist, einen Sachverhalt nur anzudeuten, aber andererseits kann man nicht immer sicher sein, dass eine Information für jeden offensichtlich ist. Wenn in deinem Beispiel die eine Figur "Du schon wieder" sagt, könnte es auch sein, dass die beiden sich vorher das erste Mal im Supermarkt getroffen haben und der eine hat sich bei der Kasse vorgedrängelt und sich patzig verhalten. Das ist jetzt ein konstruiertes Beispiel. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass wenn ich etwas aussagen will, dann sollte ich es auch tun, denn sonst besteht die Gefahr, dass es missverstanden wird. Subtext kann interessant sein, aber wenn es mir nicht explizit darum geht, sondern wenn ich einfach eine schöne Geschichte erzählen will, warum sollte ich um den heißen Brei herumreden?


    In Bezug auf Beispiel 2 würde ich sagen, dass es heutzutage definitiv besser ist, die sexuelle Ausrichtung der Figur nicht hinter Subtext zu verstecken, weil damit öfters Schindluder getrieben wird.


    CupHogGames

    Zitat

    Die Beziehung zwischen Link und Zelda ist ziemlich ungeklärt und offen. Ob sie nun z.B. ein Paar sind oder nicht wird angedeutet, aber nie genau benannt. Das ist OK.

    Sie sind also quasi so etwas wie ein Schrödinger-Paar. Hat es denn künstlerische Gründe, dass es nie gesagt wird? Ich glaube nicht. Ich vermute eher, dass dahinter der gleiche Grund steckt, weshalb so mancher romantischer Manga und Anime ein offenes Ende erhalten hat.


    Mattos313

    "Show, don't tell" ist aber nicht unumstritten, wie vieles gilt das Prinzip nicht universell und die Frage ist ja auch, was bedeutet es eigentlich. So wie ich es verstehe, ging es ursprünglich um Bücher. Beschreibt ein Erzähler die Szene oder die Persönlichkeit einer Figur oder wird sie durch Dialoge und die Wahrnehmung der Figuren beschrieben. Das fällt in Spielen häufig weg, weil es nur selten einen Erzähler gibt. Und wenn es einen gibt, wie bei Original Sin 2, finde ich das sogar toll.


    Evaleska

    Zitat

    Gibt es nicht sogar einen Begriff dafür, wenn sich zwei Charaktere unterhalten und sich gegenseitig erklären, woher sie sich kennen, nur damit der Spieler das erfährt?

    "As You Know" im Englischen, wobei das sicher ein populärwissenschaftlicher Begriff ist, aber es stimmt, es ist unnötig, dass Figuren sich gegenseitig etwas erklären, was beide wissen. Man kann einen Erzähler benutzen oder findet eine andere elegantere Lösung.

  • Zitat von Chito

    es lässt mir keine ruhe bis ich weiß das charakter x gestorben ist oder nicht. ich brauche die klarheit darüber wie eine situation endet.

    Diese Menschen sollten auf jeden Fall nicht den Film "Inception" gucken!


    Nein, die Motivation und Hintergrundgeschichte muss nicht immer bis ins Kleinste ausformuliert sein. Und auch das Ende einer Figur kann man mal der Vorstellung von Spieler/Zuschauer überlassen. Wenn der Held am Ende seinem Love-Interest zuzwinkert und lächelt, reicht es u.U. absolut aus, um zu verstehen: "Aha, jetzt kommen die beiden also doch endlich zusammen!"


    Aber natürlich muss man als Autor oder Autorin genügend Hinweise geben, damit der Spieler die Zusammenhänge verstehen kann (wenn man beim Spielen aufpasst). Bei Beispiel 2 hängt z. B. im Zimmer des Charakters ein Wandkalender mit nackten Männern.



    Das mögliche Ende der Geschichte sollte sich aber schon innerhalb eines gewissen Rahmens halten. Um mich an deinem Beispiel 3 zu orientieren:

    Wir sehen noch, wie der Held sich zusammen mit dem Schurken / der Schurkin in den Abgrund wirft. Ende.

    Das wäre meiner Meinung nach so okay. Ich kann mir nun selbst überlegen, ob der Held überlebt hat oder nicht.


    Wenn aber der Held nur am Schauplatz ankommt, sieht, dass der Schurke die Prinzessin bedroht, und DANN ist Ende.

    Dann würde ich mich auch aufregen, weil der Autor / die Autorin mich mitten im Höhepunkt der Geschichte hat hängen lassen.

  • Sie sind also quasi so etwas wie ein Schrödinger-Paar. Hat es denn künstlerische Gründe, dass es nie gesagt wird? Ich glaube nicht. Ich vermute eher, dass dahinter der gleiche Grund steckt, weshalb so mancher romantischer Manga und Anime ein offenes Ende erhalten hat.

    Gewissermaßen, ja XD

    Ich gehe davon aus, dass sie auch einfach dem Spieler überlassen wollen sich die Geschichte "zusammenzuspinnen" wie man es selbst gern hätte.
    Aber es gibt auf jeden Fall Andeutungen, dass sie mehr als einfache Freundschaft füreinander empfinden. Aber das kann eben auch alles mögliche Bedeuten :D

  • wie seht ihr das?

    Meiner Meinung nach spielen zwei Dinge dabei eine größere Rolle für die Beantwortung deiner Frage: Zum einen würde ich beachten wollen, wie bedeutend ist die "Wissenslücke" für den Fortgang der Geschichte bzw. fürs Verstehen ist. Zum anderen frage ich mich, ob die Wissenslücke leicht und folgerichtig zu füllen ist, und ob die Hinweise klar und eindeutig sind.

    Deine Beispiele 1 und 2 scheinen mir auf den ersten Blick eher dekorativer oder immersiver Natur zu sein - es macht für den Fortgang nicht all zu viel aus, wenn ich die Anspielungen nicht bemerke oder wenn das, was du mit den Andeutungen erzählen möchtest, im Unklaren bleibt. Daher müssen die Fingerzeige nicht unbedingt sehr eindeutig sein.


    So wie ich Beispiel 3 verstehe, wäre es hingegen essentiell, das Handeln des Chars zu verstehen. Nicht nur fürs Storytelling sondern auch fürs Gameplay. Dementsprechend fände ich Klarheit in Beispiel 3 viel wichtiger als in den anderen beiden. Wie du diese Klarheit erreichst, ist eigentlich zweitrangig. Klarheit bedeutet meines Erachtens nicht, alles haarklein erzählen zu müssen, schon gar nicht in einem einzigen Dialog. Eleganter finde ich es oft, so etwas nebenbei abzuhandeln, es zu zeigen oder indirekt zu erzählen.

    Wenn du dann wirklich gut erklärst, warum der Char eigentlich nur lebt, um für eine dicke alte Adlige zu sterben, dann finde ich es beinahe egal, ob du das Ende final :S erzählst oder halb in der Schwebe lässt. ;)


    lg

    Forelle

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